Ich war mal auf einer Party. Ich weiß den Anlass nicht mehr, ich weiß nur, dass es wohl in der Vorweihnachtszeit gewesen sein muss. Meine Freundin Maria, mit der ich gemeinsam eine eher chaotische WG bewohnte, hat mich mitgeschleppt. Sie hatte die Information zu dieser Party auch über 5 Ecken bekommen. Es sollte sich um irgendeine Wohnungseinweihung, Verlobung oder gar Promotion handeln. Wir wussten also nicht, was uns erwartete. Die Party fand im 9. Wiener Gemeindebezirk statt, in einer Mansardenwohnung. Wir fuhren mit dem Lift ins oberste Stockwerk und waren erstmals erstarrt: ein großzügig ausgebautes Dachgeschoss über mehrere Ebenen, geschmackvoll eingerichtet, die Möbel aus Italien, die Anlage von B&O. An einer langen Theke standen keine Dopplerflaschen, wie ich es normalerweise gewohnt war, sondern Weine mit richtigen Etiketten, individualisierten Nummernkombinationen abgefüllt in 0,75 Literflaschen. Aus den Boxen hämmerte keine harte Rockmusik sondern sanfte Töne, manchmal mit einem leichten Anhauch von Jazz. Es gab auch keine Chips und kein Popcorn und auch keine selbstangerührten Käsecremes und Nudelsalate, sondern Canapes mit Lachs und Kaviar.
Schlagartig fühlte ich mich fehl am Platz. Die Mädchen hatten alle lange weiche Haare, blond bis brünett - meines war kurz und struppig und gebleicht. Die dominante Modemarke war Armani, die dominante Farbe „natur“ – ich glänzte mit einer abgeschabten Lederjacke vom Flohmarkt und einem bunten T-Shirt irgendeiner Garagenrockband. Maria machte sich wenig daraus. Sie schnappte sich ein Glas Sekt und verschwand in der Menge. Ich schnappte mir einen Wein, ein paar Kaviar Canapes und versuchte, mit Leuten ins Gespräch zu kommen.
Langer Rede kurzer Sinn, es gelang mir nicht.
Selten hatte ich mich so unwohl, so peinlich berührt, so deplaziert gefühlt wie in dieser schön ausgebauten Dachgeschosswohnung zweier Kinder offensichtlich sehr reicher Eltern. Geschlagen geben wollte ich mich allerdings nicht – weniger wegen der Leute als wegen des guten Essens. Ich nahm ich mir also noch einen Teller mit Canapes, eine Flasche Wein, ein Glas und setzte mich in eine Ecke.
Da bemerkte ich plötzlich ein Wesen, welches ebenso deplaziert wirkte wie ich. Ein kleiner Rauhaardackel, etwas alt, etwas schmutzig. Ein Seelenverwandter in dieser sauberen Welt. Einer, der mir Gesellschaft leisten konnte, dem ich Gesellschaft leisten konnte, mit dem ich mein Essen teilen konnte.
Der Hund bemerkte mich ebenso und kam her zu mir.
Er sah mich lange an – aus klugen Augen wie mir schien. Ich beugte mich zu ihm hinunter, in meiner Hand ein leckeres Entenleber-Canape. "Na Kleiner" sagte ich. Der Hund sagte nichts. Er neigte bloß seinen Kopf, drehte sich um, hob sein Bein, und pinkelte mir auf den Schuh.
Danach bin ich heimgegangen.
Dopplerflaschen = 2l Flaschen = Pennerbombe