18.12.03

18 - Rebel-Tree

Vor vielen Jahren durfte ich das erste mal in meinem Leben gemeinsam mit meiner Mutter den Weihnachtsbaum kaufen gehen. Wir sind also auf den Weihnachtsmarkt gegangen und haben uns die diversen Nadelbäume angesehen. Es gab kleine und große, Fichten und Tannen und welche, die man wieder einpflanzen konnte nach Weihnachten, weil sie mit Wurzelwerk und Blumentopf geliefert wurden. Der Christbaumverkäufer tänzelte die ganze Zeit um uns herum und beriet uns. Bezüglich Symetrie, Nadelverlust, Stammwuchs. Wir konnten uns nicht entscheiden. Ein Baum war zu groß, der nächste hatte ein so dichtes Nadelwerk, dass wir nicht wussten, wie man daran eine Glitzerkette und genügend Zuckerwerk befestigen sollte - und einen zum wieder einpflanzen wollten wir nicht. Da bemerkten wir in der Ecke ein absolut witziges Kerlchen stehen - anders konnte man dieses Gewächs nicht nennen. Es war etwas struppig, von Symetrie konnte ganz und garnicht gesprochen werden und der Stamm hatte einen äusserst interessanten Schwung. Faszinierend war, dass es von jeder Seite anders aussah - wie eine moderne Skulptur.

Es war Liebe auf den ersten Blick - das war unser Christbaum.

Als wir ihn dann zu Weihnachten aufstellten in unserem festlich geschmückten Wohnzimmer, war mein kleiner Bruder ziemlich sauer. Nicht mal die Argumente, dass das ein Rebellenbaum sei, ein Punk unter den ganzen braven Kleinfamilienvorgartenperfektionschristbäumen, konnte ihn beruhigen. "Punk ist Punk und Weihnachten ist Weihnachten" - sagte er bloß.

Und dann hat unser Rebell auch noch nach drei Tagen sämtliche Nadeln verloren.

Trotzdem ist's bis heut mein Lieblingschristbaum