29.02.04

Der Architekt des Tores

Heute schauen viele der Strassen in Beijing in etwa so aus. Beeindruckend, dass diese Bauwerke, das Strassenbild, das ganze Stadtbild in nicht einmal 10 Jahren in diese aktuelle Form gebracht wurde. Ich möchte und kann jetzt nicht kommentieren oder beurteilen, ob das nun gut ist oder schlecht oder schade. Ich liess es auf mich wirken - und bin beeindruckt von den Leistungen der Menschen dort.

Früher hat es wohl eher so ausgesehen. Das ist übrigens die Strasse, wo es auch diese Käfer und Seepferdchen am Spiess gibt.

Habe ich bereits erzählt, dass man sehr häufig angesprochen wird auf den Strassen hier? Besonders wenn man blond ist? Dieser Herr hat mich auch angesprochen. Ich war es müde, immer nur zu sagen, "thank you", "no time", "good bye" und antwortete auf seine Frage, ob ich Finnin sei, mit einem klaren "No - I am Austrian". Sein Sohn studiert in Wien - Musik. Er selbst ist Architekt. Eines seiner Bauwerke ist dieses wunderbare Tor in diesem Bild.
"Interesting" sage ich - und "no more time now".
"Shall I take a photo of you" sagte er.
"No, but if I may take a photo of you - in front of your beautiful gate"
Ich durfte, natürlich. Hier ist es zu sehen.

Der Mann hat auch noch ein anderes "Gate" gebaut, gleich ums Eck.
Das wollte er mir auch noch zeigen. Natürlich wurde es mir dann schon etwas unangenehm. Nichtsdestotrotz, ich vertraute meiner Menschenkenntnis und folge ihm. Gleich nach Besichtigung des zweiten Tores, gleich danach, wirklich, wollte ich dann weitergehen. "No more time".

"Er sei auch Künstler" sagte er. Und weil ich so nett bin, würde er mir wirklich, sehr sehr gerne, etwas malen. Kalligraphie. Viel Glück, Gesundheit und "your Name, Li Sa that means luck, health and beauty" - wusste ich es doch.

"Follow me, this house - here, in this house is my studio."
Nein. das geht jetzt wirklich nicht. Vor meinem inneren Auge erschien meine Mutter "Geh nie mit fremden Männern mit" und mein Mann "Spinnst du total... mitten in Peking... das ist wieder typisch... dich kann man echt nicht alleine verreisen lassen... Du spinnst"

Meine Menschenkenntnis sagte mir: "Gefährlich ist er nicht"
Meine Logik sagte mir: "der will dir was verkaufen, mehr nicht."
Meine weibliche Intuition sagte mir: "Flachlegen will der dich auch nicht, ganz bestimmt nicht".
Und meine Neugierde sagte mir: "Komm, egal, jetzt schau halt was passiert."

"No Fear, I really only want to give you a picture with your name"
und
"By the way, I am also the architect of the staircase in this house - I formed it like a piano".

Sehr unwohl habe ich mich gefühlt, als ich in diesem Piano-nachempfundenem Stiegenhaus dir Treppen hochstieg. Gleich nach dem ersten Stockwerk wollte ich umkehren. Die vielen Menschen in diesem Haus, der offizielle Anstrich wiegten mich jedoch in Sicherheit. Im zweiten Stockwerk angelangt - "Here we are, come in" - öffnete der Mann die Tür zu seinem Atelier, zwei Zimmerchen, voll mit Seidenmalereien. "Man wird auch schon mal ausgeraubt in China" - Die Worte meiner Mutter, die letztes Jahr ebenfalls in Peking war, klangen plötzlich in meinem Ohr. Der Mann liess die Tür zum Atelier sperrangelweit offen, er schien meine Angst gespürt zu haben.

"Look around, take some photos as long I paint" - was ich auch tat.

Er hat tatsächlich meinen Namen gemalt auf ein Stück Seidenpapier. Er hat mir dann noch Bilder gezeigt, von seiner Frau gemalt. "Very cheap, only for you, only today". Zwei habe ich ihm abgekauft - "Drei Goldfische" und "Eine Gruppe spielender Kinder".

Als ich dann zuhause die Fotos ansah, die ich völlig unter Angst gemacht habe, vorsichtig, immer darauf vorbereitet jetzt von drei bösen Chinesen überfallen zu werden und mein ganzes Geld, meinen Pass und vielleicht auch noch meine europäische Unschuld zu verlieren, als ich diese Fotos dann im Nachhinein ansah, habe ich meine Nervosität bereut. Weil DIESES Bild ist mir nicht aufgefallen. Dieses Bild, das hätte ich wirklich gerne gehabt - auch wenn es nicht seine Frau gemalt hätte:

Posted by L9 at 17:29 | Comments (6) | Reisen