16.12.03

16 - Farbensammeln

Es gibt ein Kinderbuch. Leider weiß ich nicht mehr wie es heißt. Allerdings erinnere ich mich sehr gerne an die Geschichte, die da erzählt wurde.

Es war einmal eine wunderschöne Sommerwiese. Bienen flogen eifrig von Blume zu Blume und sammelten Honig, die Gräser bewegten sich leicht im Sommerwind, mitten durch die Wiese plätscherte ein kleines Bächlein. Auf dieser Wiese lebte auch eine Mäusefamilie – Vater und Mutter mit ihren vier Kindern. Trotz des schönen Sommers war die Familie stets sehr fleißig - musste doch bereits im Sommer für den strengen Winter vorgesorgt werden. So sammelte der Mäusevater Nüsse im benachbarten Wald. Die beiden älteren Mäusesöhne sammelten Blätter und Gras, damit im Winter der Mäusebau warm gehalten werden konnte, die Mäusetochter jagte Grillen und kleine Insekten, und die Mäusemutter war für die Konservierung der Nahrungsmittel zuständig. Der einzige, der gar nichts tat, war der kleine Mick. Der saß bloß in der Sonne, sah den Bienen zu, genoss das Zwitschern der Vögel und freute sich des Lebens. Das machte die anderen zornig.
„Was machst du denn, was sammelst Du für den Winter, jeder muss doch etwas beitragen!“
„Ich sammle Farben“ – antwortete er auf solche Fragen bloss.
„Du wirst schon sehen. Im Winter, wenn es kalt ist und nichts zu essen da ist, da wirst du hungrig sein. Und wir werden dir nichts abgeben wenn du nicht hilfst und deinen Teil beiträgst“. „Aber - ich sammle doch die Farben!“ – war seine Antwort

Der Winter kam tatsächlich. Die grünen Bäume am Wiesenrand, deren Blätter sich immer so sanft im Wind bewegten, standen da wie dunkle Gerippe. Die Wiese war dick mit Schnee bedeckt und der Bach bahnte sich mühsam seinen Weg durchs Eis. Die Bienen waren weg und auch die Vögel. Die Sonne ließ sich nur mehr selten blicken – meist war es war kalt und dunkel und still.

Doch die Mäusefamilie hatte ja vorgesorgt. Sie hatte es warm, sie hatte genug zu essen und auch zu trinken. Je länger der Winter jedoch dauerte, desto mehr schlug die Stille und die Dunkelheit den Mäusen aufs Gemüt. Der Mäusevater wurde von Tag zu Tag mürrischer, die Mäusemutter stichelte wegen jeder Kleinigkeit, die beiden älteren Mäusesöhne stritten von Tag zu Tag aggressiver und die Mäusetochter wurde von plötzlichen Weinanfällen geplagt.

Da fing der kleine Mick auf einmal an vom Sommer zu erzählen. Von der warmen Sonne, von den Vögeln, vom Sommerwind und von den lustigen Erlebnissen, die sie gemeinsam hatten. Und nach und nach entstand an den grauen, erdigen Wänden des Mäusebaues die bunte Sommerwiese mit ihren duftenden Blumen, den eifrigen Bienen und dem fröhlich plätschernden Bach.

Nun verstanden Sie ihren kleinen Mick und warum es so wichtig war, die Farben zu sammeln.

Tja, vielleicht erzählen sich die Außerirdischen ja auch Weihnachtsgeschichten, wenn ihnen die langen Reisen durchs dunkle All aufs Gemüt schlagen.